Das der Mensch ein Gewohnheitstier ist, ist altbekannt.
Manch einer kommt ohne seinen frisch gebrühten Kaffee morgens nicht in die Gänge, ein anderer kann auf seine kalte Dusche nicht verzichten.
Doch es gibt eine Sache, die fast alle gemeinsam haben, den Drang nach einer täglichen Dosis Klatsch und Tratsch, das neuste Gerücht im Büro oder eine lustige Geschichte vom Wochenende.
All diese Dinge beeinflussen unser alltägliches Leben. Doch in Zeiten des Kapitalismus sind nicht allein die Promigeschichten von Bedeutung, sondern auch die neusten Produkte und Dienstleistungen.
Welcher Designer ist gerade besonders „in“, oder welches Auto fährt „Mann“. Doch den Meisten ist gar nicht bewusst, dass sie von außen manipuliert werden. Denn Mundpropaganda wird gezielt von Unternehmen ausgelöst.
Dieses Wissen über die Neugier des Menschen nutzen Unternehmen für sich.
Und zwar durch virales Marketing – der Zukunftstrend der Werbewelt.

Viral Marketing = der neueste Schmäh

Viral bedeutet in der Medizin, durch einen Virus hervorgerufen, im Marketing steht dieser Begriff für einen Werbespot der für das Internet produziert wurde, und den Internetnutzern gefallen und dadurch weitergeleitet werden soll.
Das Unternehmen gibt somit nur den Anstoß, um die Verbreitung kümmern sich die Nutzer also selbst.
Ein möglicher Verbreitungsweg ist beispielsweise die herkömmliche Email, oder ein Videoclipportal, das täglich von tausenden, potenziellen Konsumenten aufgesucht wird.
Natürlich haben Virals eine massive Einschränkung in der Dateigröße und setzen somit häufig auf Closeups, also Bildausschnitte.
Der Vorteil ist, dass sie nicht so kostenintensiv sind wie Spots für das Fernsehen oder Kino, dafür werden sie jedoch auch zu Low-Budget Bedingungen produziert.
Es finden sich aber immer Kreative und Produzenten, die dieses Hemmnis in Kauf nehmen.
Sie erreichen hohe Aufmerksamkeit durch das Verletzen von formalen und inhaltlichen Konventionen und können folglich einem eigenen, kreativen Konzept nachgehen.
Es stellt sich die Frage, warum aber gerade diese Form der Werbung im Vergleich zur bekannten Tv-Werbung so einen Aufschwung erlebt?

Jeder kennt es.

Man sieht sich einen Film an und das worauf man am wenigsten Lust hat, ist die Werbeunterbrechung. Die Zeit wird für das ein oder andere Geschäft genutzt oder gar umgeschaltet.
Das virale Marketing im Internet funktioniert da ganz anders.
Mundpropaganda gab es schon immer. Ziel ist es, den Viral an den richtigen Lockvogel zu bringen, der Rest regelt sich von selbst.
Angenommen man er hält eine Email, die einen wirklich beeindruckt und sendet sie an 5 Freunde und Bekannte, von denen wiederum jeder sie an fünf weitere Bekannte versendet.
Dieses Spiel könnte man ewig weiterführen und trotzdem wird das Prinzip dahinter sehr schnell klar.
Da die Botschaft einen durch Vertraute erreicht, vermutet man eine wichtige oder auch seriöse Information dahinter und die Email landet nicht ungeöffnet im Papierkorb.
Das macht das Ganze so effizient.
Etwa 94 % der Internetnutzer verwenden vor einer wichtigen Kaufentscheidung das Web um mögliche Alternativen zu finden oder Preise zu vergleichen. Die Recherche im Internet ist problemloser als ein Telefonat oder scheint dem Nutzer sicherer und vertrauenswürdiger. Das Web ist anonym und schnell und ist doch mit einem Markt der Antike zu vergleichen,
es herrschen Vertrauen, Tauschhandel und Mundpropaganda.
Jeder kennt jeden, jeder kontrolliert jeden. Es wird gewarnt, gelobt, empfohlen und kritisiert. Nachrichten werden blitzschnell ausgetauscht und Negativerfahrungen werden ausführlich in Blogs oder Foren diskutiert.
Durch aktives studieren der Blogs verschaffen sich Unternehmen einen Überblick von Trends, das Abschneiden der Konkurrenz in Rankings oder den eigenen Stand auf dem Markt.
Das Weltpendeln zwischen Realen und Virtuellen ist zur Selbstverständlichkeit geworden.
Im Internet finden sich menschliche Eigenschaften wieder. Es geht um Emotionen und Mitteilungsbedürfnisse, über Mitgefühl und Annerkennung. Dafür finden sich viele Möglichkeiten im Netz, wie zum Beispiel durch Foren, Blogs, Rankings oder Chats.
Im Web bekommt ein Produkt eine Seele.
Alles was spannend, nützlich, provokant oder auch skandalös oder witzig ist lockt an.
Unternehmen möchten mit ihren Virals Aufmerksamkeit erregen. Das eigentliche Produkt, oder das Unternehmen selbst, spielt da eine zweitrangige Rolle.
Wichtig ist allein, dass „jeder“ darüber spricht.
Ist etwas unterhaltsam, neuartig und sensationell wird es von Nutzern bevorzugt gesehen oder gelesen und somit weiterempfohlen. Unternehmen setzen da unteranderem auf den Spieltrieb.
Denn Spaß teilen wir gerne mit unseren Freunden und Bekannten.
Das kann in Form von lustigen Geschichten, Email, Clips oder kostenlosen Onlinespielen erfolgen. Funmails haben eine große Reichweite und können blitzschnell zur großen Bekanntheit führen. Das Moorhuhn ist jedem noch bekannt, fast alle Computer waren von diesen „Virus“ befallen. Denn das Moorhuhn entstand ebenfalls aus einer viralen Marketingkampagne.
Wichtig für das Unternehmen ist lediglich die Auswahl des Erstkontakters, was in Fachkreisen als Seeding bekannt ist.
Beim passiven Seeding wird der Viral auf einer Website „ausgesetzt“ und von den hoffentlich richtigen Usern gefunden.
Beim aktiven Seeding werden ausgewählte Kreise und Personen mit einem hohen Bekanntenkreis ausgewählt und via Email angesteuert.
Er muss glaubwürdig sein und großen Einfluss haben, damit die Wahrscheinlichkeit der Verbreitung sehr hoch ist.
Mit Nachrichten einer bekannten Person setzt man sich eher auseinander, als mit der herkömmlichen Werbung in Magazinen und Fernsehen.
Letztlich muss das Unternehmen nur noch darauf achten, dass die Betreffzeile so formuliert ist, dass sie zum Öffnen anregt und nicht als Spam endet oder in der Firewall hängen bleibt.
Außerdem darf das Format und die Größe der Email nicht das „normale“ Maß überschreiten und schon, mit ein wenig Glück, sucht sich das „Virus“ seinen Weg durch die Spaßgesellschaft.
Jetzt mag mancher denken – das ist doch reine Manipulation!
Das stimmt.
Aber seien wir doch mal ehrlich, wer möchte schon auf die unglaublich witzigen Clips auf den Videoportalen und den ideenreichen Geschichten verzichten?
Da lässt man sich doch gerne das ein oder andere Mal ein wenig „manipulieren“.