Budgetdefizit 2025: Ursachenanalyse des 4,5 %-Defizits

Ausgangslage und Position des Finanzministeriums

Das österreichische Finanzministerium prognostiziert für 2025 ein Budgetdefizit von rund 4,5 % des BIP und führt dies vor allem auf die anhaltend schwache Konjunktur zurück (Budget: Finanzministerium erwartet 2025 ein Defizit von 4,5 Prozent). Die rezessive Wirtschaftsentwicklung – Österreich befand sich 2023/24 in einer technischen Rezession – führe laut Ministerium zu geringeren Steuereinnahmen (etwa bei konjunkturabhängigen Abgaben wie der Körperschaftsteuer) und zugleich zu höheren Ausgaben, etwa durch gestiegene Arbeitslosigkeit (Budget: Finanzministerium erwartet 2025 ein Defizit von 4,5 Prozent). Zusätzlich verweist das Finanzministerium auf höhere Zinskosten und bereits von der Vorgängerregierung fixierte Ausgabensteigerungen als weitere Faktoren für das Überschreiten der EU-Defizitgrenze (Budget: Finanzministerium erwartet 2025 ein Defizit von 4,5 Prozent). Ohne gegenzusteuern wäre das Defizit 2025 nach Angaben des Ministeriums sogar über 5 % gelegen (Budget: Finanzministerium erwartet 2025 ein Defizit von 4,5 Prozent) (Budget: Finanzministerium erwartet 2025 ein Defizit von 4,5 Prozent).

Konjunkturschwäche versus strukturelles Defizit

Fachleute bezweifeln jedoch, dass die Konjunkturschwäche der Hauptgrund für das hohe Defizit ist. Der Fiskalrat – das unabhängige Fachgremium für die öffentliche Finanzkontrolle – schätzt den konjunkturell bedingten Anteil am Defizit 2025 auf lediglich 0,6 % des BIP (). Mit anderen Worten: Rund 85 % des Fehlbetrags sind strukturell oder diskretionär bedingt. Der Fiskalrat hält ausdrücklich fest, dass „der größte Teil des Budgetdefizits nicht auf die Konjunktur zurückzuführen“ sei, sondern auf wirtschaftspolitische Maßnahmen (Fiskalrat: Wirtschaftspolitik ohne Gegenfinanzierung und hohe Budgetdefizite (PK0053/19.02.2025) | Parlament Österreich). Zwar belastet die Rezession das Budget – etwa durch Mindereinnahmen infolge des Wachstumsrückgangs und etwas steigende Arbeitslosengeldzahlungen (Budget: Fiskalrat erwartet für heuer Defizit von 4,4 Prozent) (Budget: Fiskalrat erwartet für heuer Defizit von 4,4 Prozent) – doch fiel diese Belastung vergleichsweise moderat aus. So blieb der Arbeitsmarkt relativ robust (2025 wird eine Arbeitslosenquote von ca. 7 % erwartet (Zaghaftes Wirtschaftswachstum erschwert Budgetkonsolidierung. Prognose für 2025 und 2026)), was Schlimmeres verhinderte. Insgesamt überwiegen andere Defizitursachen deutlich die Konjunkturflaute.

Politische Entscheidungen als Defizittreiber

Eine Reihe diskretionärer finanzpolitischer Entscheidungen der letzten Jahre hat das strukturelle Defizit in die Höhe getrieben. Der Fiskalrat konstatiert ein „großes Volumen an wirtschaftspolitischen Maßnahmen ohne Gegenfinanzierung“, das die Budgetlage gegenüber der Vorkrisenzeit deutlich verschlechtert hat (Fiskalrat: Wirtschaftspolitik ohne Gegenfinanzierung und hohe Budgetdefizite (PK0053/19.02.2025) | Parlament Österreich). Zu den wichtigsten Maßnahmen zählen unter anderem:

  • Steuersenkungen: Insbesondere die Senkung der Körperschaftsteuer (KöSt) von 25 % auf 23 % sowie die Einkommensteuer-Tarifreform haben die Staatseinnahmen merklich reduziert (). Diese Entlastungen wurden nicht durch Gegenfinanzierungen ausgeglichen und verschärfen den Fehlbetrag strukturell.
  • Klimabonus und CO₂-Bepreisung: Im Rahmen der ökosozialen Steuerreform wurde die CO₂-Abgabe mit einem großzügigen Klimabonus an die Bevölkerung überkompensiert. Die Ausgaben durch den Klimabonus übersteigen die Einnahmen aus der CO₂-Steuer deutlich (), was das Budget zusätzlich belastet.
  • Corona-Krisenmaßnahmen mit Langzeitwirkung: Mehrere in der COVID-19-Krise beschlossene Hilfen wirken bis heute defiziterhöhend nach. Beispielsweise verursacht die Investitionsprämie (ein staatlicher Zuschuss, um Unternehmensinvestitionen anzukurbeln) noch immer Ausgaben (). Ebenso wurden gewisse Krisenhilfen verstetigt – etwa ein „Corona-Bonus“ für Pensionist:innen –, die dauerhaft jährlich zu Buche schlagen ().
  • Teuerungs-Entlastungspakete: Zur Abfederung der hohen Inflation 2022/23 beschloss die Regierung Entlastungen wie die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung (UV) und zum Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) für Arbeitnehmer:innen (). Diese Maßnahmen verringern die Einnahmen ebenfalls dauerhaft.
  • Sonderprogramme und Offensiven: In den letzten Jahren wurden neue Ausgabenprogramme gestartet, etwa eine Wohnbau- und Bau-Offensive zur Konjunkturstützung () oder zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen (z. B. die Befreiung von der Mehrwertsteuer für Photovoltaikanlagen) (). Diese Programme wurden ohne voll umfängliche Gegenfinanzierung umgesetzt und belasten das Budget zusätzlich.

Ohne diese expansiven Beschlüsse wäre das Defizit heute spürbar niedriger. Fachleute betonen, dass viele dieser Maßnahmen zwar konjunkturpolitisch oder sozialpolitisch begründet waren, jedoch keine Gegenfinanzierung erfolgte – was nun in Form höherer Defizite sichtbar wird (Fiskalrat: Wirtschaftspolitik ohne Gegenfinanzierung und hohe Budgetdefizite (PK0053/19.02.2025) | Parlament Österreich) (Fiskalrat: Wirtschaftspolitik ohne Gegenfinanzierung und hohe Budgetdefizite (PK0053/19.02.2025) | Parlament Österreich).

Strukturelle Kostentreiber: Pensionen, Personal, Zinsen

Neben den politischen Einzelentscheidungen wirken strukturelle Faktoren im Budget defiziterhöhend. Hier sind vor allem inflations- und demografiebedingte Mehrausgaben zu nennen:

Gleichzeitig flachen die Einnahmenentwicklung ab: Die hohe Inflation der Vorjahre hatte zunächst für Steuermehreinnahmen gesorgt (u.a. durch „kalte Progression“), doch seit 2024 wirken die automatische Indexierung der Tarife und das Abklingen der Teuerung bremsend auf das Einnahmenwachstum (Economic forecast for Austria – European Commission). So wachsen die Steuereinnahmen 2025 laut EU-Prognose nur noch moderat, während die Ausgaben dynamisch zunehmen (Economic forecast for Austria – European Commission). Diese Schere trägt wesentlich dazu bei, dass Österreich ohne weitere Maßnahmen dauerhaft über dem EU-Defizitziel von 3 % bleibt.

Experteneinschätzungen: Hauptursachen des Defizits

Unabhängige Expert:innen wie der Fiskalrat, WIFO, IHS und EU-Kommission zeichnen ein klares Bild: Das hohe Defizit 2024/25 resultiert vor allem aus strukturellen und finanzpolitischen Faktoren, während die Konjunkturschwäche nur eine Nebenrolle spielt. Der Fiskalrat betont, dass der Großteil des Defizits hausgemacht ist – insbesondere durch fehlende Gegenfinanzierung politischer Maßnahmen und durch automatische Mehrausgaben (Pensionen, Gehälter) infolge der Inflation (Fiskalrat: Wirtschaftspolitik ohne Gegenfinanzierung und hohe Budgetdefizite (PK0053/19.02.2025) | Parlament Österreich). In seinem Ausblick warnte der Fiskalrat, dass ohne strukturelle Einsparungen Österreichs Defizit auch mittelfristig deutlich über den zulässigen Grenzen bleiben wird (Fiskalrat: Wirtschaftspolitik ohne Gegenfinanzierung und hohe Budgetdefizite (PK0053/19.02.2025) | Parlament Österreich) (Fiskalrat: Wirtschaftspolitik ohne Gegenfinanzierung und hohe Budgetdefizite (PK0053/19.02.2025) | Parlament Österreich).

WIFO und IHS untermauern diese Sicht: Beide Institute prognostizierten in ihrer Winterprognose 2024 ein steigendes Defizit für 2025 (WIFO ~4,2 %, IHS ~3,7 % des BIP) unter der Annahme unveränderter Politik (Wifo/IHS: 2025 weniger Wirtschaftswachstum – News • Wiener Börse). Diese Prognosen basierten also darauf, dass keine zusätzlichen Sparmaßnahmen umgesetzt werden – sprich, das Defizit resultiert aus den bestehenden strukturellen Gegebenheiten. WIFO kommentiert zudem, dass eine forcierte Rückführung des Defizits unter 3 % bereits 2025 die ohnehin schwache Wirtschaft stark bremsen würde (Zaghaftes Wirtschaftswachstum erschwert Budgetkonsolidierung. Prognose für 2025 und 2026). Das heißt: Aus konjunkturpolitischer Sicht tolerierte man das höhere Defizit, um die Rezession nicht zu verschärfen. Implizit zeigen die WIFO/IHS-Zahlen aber, dass das Defizit vor allem strukturell bedingt ist – denn selbst bei wieder leicht positivem Wachstum 2025 (≈+0,6 %) bliebe der Fehlbetrag ohne Gegensteuern im Bereich 4 % des BIP (Zaghaftes Wirtschaftswachstum erschwert Budgetkonsolidierung. Prognose für 2025 und 2026) (Wifo/IHS: 2025 weniger Wirtschaftswachstum – News • Wiener Börse).

Auch die EU-Kommission sieht Österreichs Defizitproblematik primär in den Ausgaben- und Strukturentwicklungen begründet. In der Herbstprognose 2024 identifizierte die Kommission ausdrücklich die Indexierung von Gehältern, Pensionen und Sozialleistungen als zentralen Defizittreiber, zusammen mit zusätzlichen Ausgaben für Kinderbetreuung, Gesundheit, Wohnbau und Klima (Die EU ist optimistischer für Österreichs Defizit als Fiskalrat und Wifo – DiePresse.com). Außerdem verlängerte Maßnahmen wie die Strompreisbremse (Energiepreisstützung) tragen laut Kommission zur Budgetbelastung bei (Die EU ist optimistischer für Österreichs Defizit als Fiskalrat und Wifo – DiePresse.com). Demgegenüber wird eine konjunkturbedingte Einnahmenschwäche nicht als Hauptgrund angeführt – im Jahr 2025 rechnet Brüssel ja wieder mit +1 % Wirtschaftswachstum (Economic forecast for Austria – European Commission), erwartet aber dennoch ein Defizit von rund 3,7 % des BIP (Economic forecast for Austria – European Commission). Die EU-Analyse spiegelt somit wider, dass ohne aktive Budgetsanierung die strukturellen Lasten das Defizit über 3 % halten, selbst wenn die Konjunktur sich leicht erholt.

Zusammenfassend betonen Expert:innen die politisch-strukturellen Ursachen des hohen Defizits: Die schwache Konjunktur hat das Budgetloch zwar vergrößert, ist aber nicht hauptverantwortlich für dessen Ausmaß. Wesentlicher sind die vielfältigen Ausgabensteigerungen und Einnahmenreduktionen der vergangenen Jahre. Die folgende Tabelle fasst die wichtigsten Defizitur­sachen und ihre relative Bedeutung laut Expertenschätzungen zusammen:

Ursache Relevanz für das Defizit 2025 laut Expert:innen
Schwache Konjunktur (Rezession, geringes Wachstum) Moderater Einfluss. Laut Fiskalrat beträgt der konjunkturelle Defizitanteil 2025 nur ca. 0,6 % des BIP (). Das Finanzministerium misst der Konjunkturflaute zwar eine zentrale Rolle bei (Budget: Finanzministerium erwartet 2025 ein Defizit von 4,5 Prozent), doch insgesamt überwiegen strukturelle Faktoren deutlich.
Steuersenkungen (z. B. Körperschaftsteuer, Einkommensteuerreform) Erheblicher Einfluss auf die Einnahmenseite. Mehrere Steuerreformen seit 2020 haben das strukturelle Defizit vergrößert. Der Fiskalrat verweist insbesondere auf die KöSt- und Einkommenssteuer-Senkungen, die den Budgetsaldo deutlich verschlechtert haben ().
Entlastungs- und Krisenmaßnahmen (Corona-Hilfen, Teuerungsbonus, Klimabonus) Bedeutsamer Einfluss, vor allem langfristig. Laut Fiskalrat wirken langanhaltende COVID-Stützungsmaßnahmen (z. B. Investitionsprämie) und verstetigte Hilfen wie der Coronabonus für Pensionist:innen weiterhin defiziterhöhend (). Auch die Inflationausgleichs-Pakete (Klimabonus, Beitragssenkungen etc.) belasten das Budget strukturell ().
Indexierung von Pensionen und Gehältern (inflationsbedingte Erhöhungen) Sehr großer Einfluss auf die Ausgabenseite. Diese automatischen Anpassungen werden von Fiskalrat und EU als Hauptgründe für den Ausgabenanstieg genannt ([Fiskalrat: Wirtschaftspolitik ohne Gegenfinanzierung und hohe Budgetdefizite (PK0053/19.02.2025)
Neue Ausgabenprogramme (Kinderbetreuung, Gesundheit, Wohnen, Militär, Infrastruktur) Spürbarer Einfluss, da sie das Ausgabenniveau dauerhaft erhöhen. Die EU-Kommission führt zusätzliche Investitionen in diesen Bereichen als wichtige Defizitursachen an (Die EU ist optimistischer für Österreichs Defizit als Fiskalrat und Wifo – DiePresse.com). Auch der Fiskalrat betont, dass etwa der neue Finanzausgleich (inkl. Zukunftsfonds) und verstärkte Militär- und Bahn-Investitionen das strukturelle Budgetdefizit deutlich steigen ließen ().
Steigende Zinskosten auf Staatsschulden Merklicher Einfluss, aber nachrangig gegenüber oben genannten Posten. Das Finanzministerium nennt die stark gestiegenen Zinsausgaben als einen Faktor für das 4,5 %-Defizit (Budget: Finanzministerium erwartet 2025 ein Defizit von 4,5 Prozent). Mit Schulden über 80 % des BIP wirken sich Zinsänderungen im Milliardenumfang auf das Budget aus. Allerdings erwarten Experten mittelfristig wieder sinkende Defizite, sobald Einmaleffekte auslaufen und moderate Primärüberschüsse erzielt werden – dann könnten auch die Zinskosten relativ tragbar bleiben.

Fazit: Die Analyse aktueller Quellen (2024/25) zeigt, dass Österreichs erwartetes Defizit von 4,5 % im Jahr 2025 nur zu einem kleineren Teil durch die Konjunkturschwäche verursacht wird. Wichtiger sind die politischen Entscheidungen (Steuersenkungen, Entlastungen, neue Ausgaben) und strukturellen Budgetfaktoren (inflationsbedingt höhere Pensions- und Personalkosten, demografisch wachsende Ausgaben, höhere Zinsen). Expertengremien wie Fiskalrat, WIFO, IHS und die EU-Kommission nennen übereinstimmend vor allem diese Faktoren als Hauptursachen des Defizits – während die schwache Konjunktur zwar eine Rolle spielt, aber im Vergleich als weniger gewichtiger Faktor eingeschätzt wird (Fiskalrat: Wirtschaftspolitik ohne Gegenfinanzierung und hohe Budgetdefizite (PK0053/19.02.2025) | Parlament Österreich) (Die EU ist optimistischer für Österreichs Defizit als Fiskalrat und Wifo – DiePresse.com). Eine nachhaltige Rückführung des Defizits unter 3 % wird daher nur durch strukturverbessernde Maßnahmen auf der Ausgaben- und Einnahmenseite gelingen, da ein einfaches Abwarten auf besseren Konjunkturwind das Problem nicht lösen wird. (Die Herausforderung besteht freilich darin, konsolidierende Schritte so umzusetzen, dass sie die fragile Konjunktur nicht unnötig abwürgen (Zaghaftes Wirtschaftswachstum erschwert Budgetkonsolidierung. Prognose für 2025 und 2026).) Letztlich machen die Daten klar, dass die Behauptung, vor allem die Konjunkturschwäche sei für das Defizit verantwortlich, in dieser Form nicht zutreffend ist – die Haupttreiber liegen woanders, nämlich in den politisch gestaltbaren und strukturellen Bereichen des Budgets.

Von Published On: 17.4.2025Kategorien: PolitikSchlagwörter: , , , , ,