Trump und die NATO – Historischer Rückblick und aktuelle Entwicklungen

Trumps erste Amtszeit: NATO unter Druck (2017–2021)

Die NATO, seit über 70 Jahren das sicherheitspolitische Rückgrat Europas, sah sich während der Präsidentschaft Donald Trumps beispiellosen Spannungen ausgesetzt. Trump trat ab 2017 als scharfer Kritiker des Bündnisses auf. Kurz nach Amtsantritt bezeichnete er die NATO zunächst als „obsolet“, womit er Zweifel am Wert der Allianz äußerte. Zwar ruderte er später teilweise zurück, doch blieben seine Vorbehalte spürbar. Laut seinem früheren Sicherheitsberater John Bolton machte Trump in privatem Kreis deutlich, dass ihm nicht viel an der NATO liege („I don’t give a shit about NATO“ (Trump Will Abandon NATO – The Atlantic)). Er stellte den Nutzen von Allianzen offen infrage und meinte gar, europäische Konflikte seien „die Leben amerikanischer Soldaten nicht wert“ (Trump Will Abandon NATO – The Atlantic). Diese Haltung bedeutete einen klaren Bruch mit dem transatlantischen Konsens früherer US-Regierungen, die NATO als unverzichtbar betrachteten.

Ein zentrales Streitpunkt war Trumps Vorwurf des unzureichenden Verteidigungsbeitrags der Europäer. Mit harschem Ton forderte er die NATO-Partner wiederholt auf, ihre Militärausgaben zu erhöhen. Auf dem NATO-Gipfel 2018 in Brüssel soll Trump sogar gedroht haben, die USA aus dem Bündnis zurückzuziehen, falls alle Mitglieder nicht umgehend das vereinbarte Ziel von 2 % des BIP für Verteidigung erfüllten (The Trump card: What could US abandonment of Europe look like? | European Union Institute for Security Studies). Diese beispiellose Drohung versetzte die Alliierten in Alarm. Zwar kam es letztlich nicht zum Austritt der USA – hochrangige Regierungsmitglieder wie Bolton, Verteidigungsminister Jim Mattis und andere drängten Trump erfolgreich zum Verbleib (Trump Will Abandon NATO – The Atlantic) – doch allein die Möglichkeit untergrub das Vertrauen. Gleichzeitig begrüßte Trump zwar höhere europäische Rüstungsetats, zeigte jedoch wenig Interesse an einer eigenständigen europäischen Verteidigung. Im Gegenteil: Als die EU 2017–2019 mit PESCO und dem Europäischen Verteidigungsfonds neue gemeinsame Rüstungsinitiativen startete, reagierte Washington gereizt. 2019 schickte Trumps Regierung einen Beschwerdebrief an die EU-Außenbeauftragte, in dem sie kritisierte, diese europäischen Initiativen würden US-Rüstungsfirmen ausschließen und somit die transatlantische Rüstungskooperation untergraben (The Trump card: What could US abandonment of Europe look like? | European Union Institute for Security Studies). Mit anderen Worten: Trump verlangte von Europa höhere Verteidigungsausgaben, wollte aber, dass diese vor allem der US-Rüstungsindustrie zugutekommen.

Auf diplomatischer Ebene belasteten Trumps Alleingänge die transatlantischen Beziehungen zusätzlich. Er schreckte nicht davor zurück, Verbündete öffentlich zu brüskieren – etwa als er 2017 auf einem NATO-Treffen die anderen Staatschefs tadelte und insbesondere Deutschland wegen Handelsüberschüssen als „sehr böse“ bezeichnete (Angela Merkel: Europe must take ‘our fate’ into own hands – POLITICO). Zudem zögerte Trump lange, das Herzstück der Allianz – den Bündnisfall nach Artikel 5 – ausdrücklich zu bekräftigen, was in Europa Befürchtungen weckte, Washington könnte im Ernstfall zögern, zur Hilfe zu eilen. Auch jenseits der Sicherheitspolitik kam es zu Zerwürfnissen: Trump überzog EU-Länder mit Strafzöllen (etwa auf Stahl und Aluminium) und kündigte internationale Abkommen, die Europa wichtig waren (z.B. das Pariser Klimaabkommen oder das Iran-Atomabkommen). All dies sorgte für einen Eindruck von Unzuverlässigkeit der USA.

Europäische Führungspolitiker reagierten mit ungewohnter Offenheit auf diese neue Lage. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel konstatierte nach schwierigen Gipfeltreffen mit Trump 2017 ernüchtert: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, sind ein Stück weit vorbei“ – Europa müsse sein Schicksal „wirklich in die eigenen Hände nehmen“ (Angela Merkel: Europe must take ‘our fate’ into own hands – POLITICO). Frankreichs Präsident Emmanuel Macron warnte 2019 sogar, die NATO erlebe derzeit einen „Hirntod“, und Europa könne sich nicht länger vorbehaltlos auf die Sicherheitsgarantien der USA verlassen (Macron criticised by US and Germany over Nato ‚brain death‘ claims). Solche Äußerungen spiegelten das wachsende Bewusstsein wider, dass sich die europäische Sicherheitsarchitektur auf gefährlichem Terrain befand. Während Trumps Amtszeit begannen EU-Staaten zwar zögerlich, ihre Verteidigungshaushalte aufzustocken – teilweise aus Einsicht angesichts Russlands Bedrohung, teils um Trumps Kritik den Wind aus den Segeln zu nehmen. Doch zugleich wurde der Ruf nach strategischer Autonomie lauter: Europa müsse handlungsfähiger werden und im Zweifelsfall auch ohne die uneingeschränkte Unterstützung der USA auskommen können (Strategic Brief no. 77 – 2025 – The European Union and Trump 2.0: Transatlantic Rupture and Strategic Autonomy ). Insgesamt markierte Trumps erste Amtszeit somit einen Tiefpunkt der transatlantischen Beziehungen, der die NATO zwar nicht sprengte, aber Risse in ihrem Fundament sichtbar machte.

Trump 2024: Aktuelle Äußerungen und Pläne im Falle eines Wahlsiegs

Im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahl 2024 hat Donald Trump unmissverständlich klargemacht, dass er in einer zweiten Amtszeit seine harte Linie gegenüber Verbündeten fortsetzen – wenn nicht sogar verschärfen – würde. Sicherheitspolitisch deutet er einen Paradigmenwechsel an: Die europäische Verteidigung soll primär Sache der Europäer selbst sein, während die USA einen Schritt zurücktreten. So berichtete Politico, Trumps Beraterteam plane eine „radikale Neuausrichtung“ der NATO, bei der Washington „in den Hintergrund tritt“ und nur noch im Krisenfall militärische Unterstützung leistet (Trump’s plan for NATO is emerging – Defense Priorities). Trump selbst forderte im Wahlkampf gar, die europäischen NATO-Staaten müssten drastisch mehr für ihre Verteidigung ausgeben – Größenordnungen von 4 % oder gar 5 % des BIP wurden genannt, weit mehr als die bisherigen 2 % (Trump’s plan for NATO is emerging – Defense Priorities). Andernfalls, so seine implizite Drohung, könnten die USA ihren Schutz zurückfahren. Auf Veranstaltungen 2023/24 erklärte Trump in aller Deutlichkeit, er werde Verbündete, die „nicht genug für Verteidigung zahlen“, nicht länger schützen (The Trump card: What could US abandonment of Europe look like? | European Union Institute for Security Studies). Ein Trump-Vertrauter brachte das Konzept einer „schlafenden NATO“ ins Spiel – die US-Beistandsverpflichtung würde demnach auf Eis gelegt und nur bei direktem Notfall „reaktiviert“ (The Trump card: What could US abandonment of Europe look like? | European Union Institute for Security Studies). Diese Ideen laufen auf eine drastige Reduzierung der dauerhaften US-Präsenz in Europa hinaus.

Bereits in den ersten Äußerungen nach einem möglichen Wahlsieg ließe Trump erkennen, dass es ihm ernst ist mit einem „America First“ in Reinkultur. Frühere Regierungsmitglieder, die ihn 2017–2020 noch einhegen konnten, wären im Jahr 2025 nicht mehr an Bord (Trump Will Abandon NATO – The Atlantic) (Trump Will Abandon NATO – The Atlantic). Stattdessen würde er sich von Beratern umgeben, die seine skeptische Haltung gegenüber Allianzen teilen oder zumindest nicht widersprechen. Beobachter wie John Bolton warnen, in einer zweiten Amtszeit könnte Trump seine zuvor nur angedrohten Schritte tatsächlich umsetzen – der Schaden für NATO und transatlantische Sicherheit wäre dann irreparabel (Trump Will Abandon NATO – The Atlantic). Die rechtlichen und politischen Hürden für einen formellen Austritt der USA aus der NATO sind zwar hoch (der US-Senat und Kongress würden sich querstellen (Trump Will Abandon NATO – The Atlantic)), doch Trump könnte auch ohne einen offiziellen Austritt Fakten schaffen: etwa durch faktisches „Quiet Quitting“ – also eine schleichende Untätigkeit oder Blockade innerhalb der NATO (Trump Can’t Withdraw From NATO, but He Could “Quiet Quit” | Lawfare). Würden die USA etwa ihre Teilnahme an Übungen reduzieren, Truppen aus Europa abziehen oder Sicherheitsgarantien infrage stellen, käme dies einer Erosion der Allianz gleich, ohne formal gegen den NATO-Vertrag zu verstoßen (Trump Will Abandon NATO – The Atlantic) (Trump Will Abandon NATO – The Atlantic).

Trumps aktuelle Rhetorik zeigt zudem, dass er Konfrontation nicht auf den militärischen Bereich beschränkt. Laut einer Analyse des EUISS würde eine Trump-Administration 2.0 alle Register ziehen, um amerikanische Interessen – oft rücksichtslos – durchzusetzen (The Trump card: What could US abandonment of Europe look like? | European Union Institute for Security Studies) (The Trump card: What could US abandonment of Europe look like? | European Union Institute for Security Studies). So hat Trump bereits angekündigt, im Umgang mit Russland einen eigenen Weg zu gehen: Er prahlt damit, den Krieg in der Ukraine „in 24 Stunden“ beenden zu können, was auf Direktverhandlungen mit Wladimir Putin hindeutet – möglicherweise über die Köpfe Kiews und der EU hinweg (The Trump card: What could US abandonment of Europe look like? | European Union Institute for Security Studies). Europäische Regierungen befürchten, dass Trump im Eiltempo einen Deal mit Putin schließen könnte, der europäische Sicherheitsinteressen ignoriert. Dieses Szenario lässt die Alarmglocken schrillen: Würde Washington etwa einem Nachgeben Russlands in der Ukraine zustimmen oder gar informell Einflusssphären anerkennen, hätte das massive Auswirkungen auf Europas Sicherheit. Nicht umsonst warnte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2024, man könne nicht ausschließen, dass Amerika künftig „Nein“ sagen könnte, wenn Europas Sicherheit bedroht ist (The Trump card: What could US abandonment of Europe look like? | European Union Institute for Security Studies) (The Trump card: What could US abandonment of Europe look like? | European Union Institute for Security Studies).

Auch wirtschaftlich und diplomatisch zeichnet sich unter Trump ein rauerer Kurs gegenüber Europa ab. Er hat damit gedroht, notfalls Zölle auf breite Produktpaletten zu verhängen, was die exportorientierten EU-Staaten empfindlich treffen würde (The Trump card: What could US abandonment of Europe look like? | European Union Institute for Security Studies). Im Wahlkampf sprach Trump von unfairen Handelspraktiken und zeigte Bereitschaft, einen Handelskrieg mit der EU zu riskieren, sollte diese nicht nach seinen Bedingungen agieren. Zudem fühlen sich Trump und seine Mitstreiter von europäischer Regulierung – etwa im Technologiesektor – gegängelt (The Transatlantic Alliance in the Age of Trump: The Coming Collisions). Prominente Vertreter seines Lagers wie J.D. Vance schüren anti-europäische Stimmung, indem sie der EU etwa „Zensur“ und Benachteiligung amerikanischer Unternehmen vorwerfen (The Trump card: What could US abandonment of Europe look like? | European Union Institute for Security Studies). Diese Mischung aus Desinteresse und Groll gegenüber Europa erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass eine zweite Trump-Regierung aggressiv-konfrontativ auftritt (The Transatlantic Alliance in the Age of Trump: The Coming Collisions). Europäische Bitten um transatlantische Einigkeit oder Appelle an gemeinsame Werte dürften dann wenig Gehör finden (The Transatlantic Alliance in the Age of Trump: The Coming Collisions). Stattdessen würde Trump voraussichtlich harte Zugeständnisse von den Europäern in verschiedensten Politikfeldern verlangen – von Handelsfragen über Iran- und China-Politik bis hin zur Aufteilung von Verteidigungslasten (The Transatlantic Alliance in the Age of Trump: The Coming Collisions). Insgesamt ist Europa auf einen US-Präsidenten eingestellt, der keine Scheu hat, die transatlantische Allianz grundlegend umzubauen, selbst wenn dies jahrzehntelange diplomatische Beziehungen auf die Probe stellt.

Sicherheitspolitische Implikationen für Europa und die NATO

Eine erneute Präsidentschaft Trumps würde die europäische Sicherheitsarchitektur vor gewaltige Herausforderungen stellen. NATO und Artikel 5 – bislang der Garant, dass ein Angriff auf ein Mitglied als Angriff auf alle beantwortet wird – stünden auf dem Prüfstand. Sollte Washington seine Zusagen relativieren, entstünde ein gefährliches Glaubwürdigkeitsdefizit der Abschreckung. Gegner wie Russland könnten versucht sein, die Entschlossenheit der Allianz zu testen, falls sie Zweifel an der amerikanischen Beistandsbereitschaft wittern (Trump is rushing toward a deal with Putin, leaving Europe in the dust). Europäische Sicherheitsexperten bewerten ein vollständiges Zurückziehen der USA aus Europa sogar als ähnlich destabilisierend wie einen russischen Nuklearangriff (The Trump card: What could US abandonment of Europe look like? | European Union Institute for Security Studies) – ein drastischer Vergleich, der die existentielle Bedeutung der US-Präsenz unterstreicht. Insbesondere die Länder an der NATO-Ostflanke (Baltikum, Polen, Rumänien) wären einem erhöhten Risiko ausgesetzt, da sie stark von US-Truppen und -Capabilities (etwa Luftabwehr, Aufklärung, nukleare Abschreckung) abhängen.

Für die europäischen Staaten würde Trumps NATO-Skepsis ein Dilemma bedeuten: Einerseits müssten sie versuchen, die USA irgendwie engagiert zu halten; andererseits gleichzeitig Vorsorge treffen, falls Amerika sich tatsächlich zurückzieht. In diesem Sinne haben einige NATO-Mitglieder bereits begonnen, ihre Verteidigungsanstrengungen zu steigern. Seit 2014 (Annexion der Krim) und verstärkt seit Trumps Druck gibt es einen Aufwärtstrend bei den Rüstungsausgaben vieler europäischer Länder. Allerdings erreichen bis heute nur etwas mehr als die Hälfte der Alliierten das 2%-Ziel – von 4 % ganz zu schweigen (Strategic Brief no. 77 – 2025 – The European Union and Trump 2.0: Transatlantic Rupture and Strategic Autonomy ). Selbst Deutschland, wirtschaftlich stärkste Nation der EU, ringt noch damit, die versprochene Erhöhung umzusetzen. Sollte Trump wie angekündigt US-Truppen aus Europa abziehen oder ihre Stationierung rotieren lassen, entstünde kurzfristig eine Sicherheitslücke, denn europäische Armeen können die Lücke nicht sofort schließen (The Trump card: What could US abandonment of Europe look like? | European Union Institute for Security Studies). Jahrzehntelang haben sich die NATO-Europäer auf US-Fähigkeiten gestützt – von strategischer Lufttransportkapazität bis Raketenabwehr. Fallen diese Kapazitäten weg, würde die europäische Verteidigungskraft spürbar geschwächt (The Trump card: What could US abandonment of Europe look like? | European Union Institute for Security Studies).

Die EU und europäische Bündnisse müssten deshalb massiv in die eigene Verteidigungsfähigkeit investieren. Sicherheitsexperten raten dazu, schnell eine starke europäische Abschreckungskraft aufzubauen (The Trump card: What could US abandonment of Europe look like? | European Union Institute for Security Studies) (The Trump card: What could US abandonment of Europe look like? | European Union Institute for Security Studies). Konkret bedeutet das u.a.: bessere europäische Fähigkeiten in den Bereichen Luftverteidigung, Cyberabwehr, strategische Aufklärung und schnelle Eingreiftruppen. Einige Schritte in diese Richtung wurden bereits unternommen – so plant die EU eine gemeinsame schnelle Eingreiftruppe von 5.000 Soldaten bis 2025 und fördert gemeinsame Rüstungsprojekte. Doch die bisherigen Maßnahmen reichen nicht aus, um das mögliche Wegbrechen des US-Schutzschilds zu kompensieren (Strategic Brief no. 77 – 2025 – The European Union and Trump 2.0: Transatlantic Rupture and Strategic Autonomy ). Europas Streitkräfte sind fragmentiert, und viele Länder verlassen sich bislang auf den nuklearen Schutzschirm der USA. Hier stellt sich im Ernstfall die Frage, wie Europa eine glaubwürdige atomare Abschreckung aufrechterhalten würde, falls die US-Garantie zweifelhaft wird. Frankreich besitzt zwar eigene Nuklearwaffen, doch hat es bisher keine Bereitschaft signalisiert, diese als gesamteuropäische Abschirmung einzusetzen. Manche Experten bringen die Idee einer stärkeren französischen „nuklearen Teilhabe“ ins Spiel, was aber politisch sensibel ist. Langfristig könnte ein nachlassendes US-Engagement sogar Debatten über einen eigenständigen europäischen Nuklearschirm befeuern – ein Szenario, das vor wenigen Jahren noch undenkbar schien.

Für die NATO insgesamt könnte Trumps Kurs eine innere Zerreißprobe bedeuten. Denkbar sind zwei Extremszenarien:

Wahrscheinlich würde die Realität Elemente beider Szenarien enthalten (The Trump card: What could US abandonment of Europe look like? | European Union Institute for Security Studies). Europa muss sich auf alle Eventualitäten vorbereiten (The Trump card: What could US abandonment of Europe look like? | European Union Institute for Security Studies). Die Europäische Union hat erkannt, dass sie einen Plan B braucht, falls die transatlantische Allianz bröckelt. Im Kern bedeutet das: deutlich höhere Verteidigungsausgaben, bessere Koordination und Redundanzen schaffen, damit ein Wegfall amerikanischer Ressourcen zumindest teilweise kompensiert werden kann (The Trump card: What could US abandonment of Europe look like? | European Union Institute for Security Studies). Die Strategische Kompass-Initiative der EU und die NATO-internen Reformen zielen bereits darauf ab, Fähigkeitslücken zu schließen. Doch es bleibt ein Wettlauf gegen die Zeit. Der Krieg in der Ukraine, der 2022 ausbrach und immer noch andauert, dient als mahnendes Beispiel: Er zeigt, dass Europa im Ernstfall auf massive US-Unterstützung angewiesen war (z.B. bei moderner Artillerie, Luftabwehr, Geheimdienstinformationen). Sollte ein Trump-geführtes Amerika diese Unterstützung kappen, müssten die Europäer nicht nur ihre eigene Verteidigung stemmen, sondern auch die fortgesetzte Hilfe für die Ukraine allein tragen (‚Europe did more than the US‘ — EU defense commissioner pushes back against Trump accusations) (‚Europe did more than the US‘ — EU defense commissioner pushes back against Trump accusations). Bereits jetzt stellen sich EU-Hauptstädte die Frage, ob und wie sie die Lücke füllen könnten, falls Washington sich aus der Ukraine-Assistenz zurückzieht (‚Europe did more than the US‘ — EU defense commissioner pushes back against Trump accusations) (‚Europe did more than the US‘ — EU defense commissioner pushes back against Trump accusations). Die nüchterne Antwort vieler Analysten lautet, dass Europa kurzfristig überfordert wäre – ein alarmierendes Signal für die strategische Abhängigkeit, die es dringend zu verringern gilt.

Wirtschaftliche Folgen: Europäische Verteidigungsindustrie und strategische Autonomie

Trumps Politik betrifft nicht nur die militärische Kooperation, sondern auch die wirtschaftlichen Grundlagen der Verteidigung. Eine entscheidende Frage lautet: Wie wirkt sich ein Rückzug oder Wandel der USA in der NATO auf die europäische Rüstungsindustrie und die Bemühungen um strategische Autonomie der EU aus?

Einerseits könnte man annehmen, dass Europas Rüstungsunternehmen profitieren, wenn die Europäer mehr aus eigener Tasche für Verteidigung ausgeben müssen. Tatsächlich hat die EU im März 2024 erstmals eine eigene verteidigungsindustrielle Strategie verabschiedet, die explizit eine „Buy European“-Priorität bei Rüstungsgütern propagiert – eingebettet in das politische Ziel größerer strategischer Autonomie (The Implications of a Second Trump Presidency for Europe’s Defense-Industrial Efforts – War on the Rocks) (The Implications of a Second Trump Presidency for Europe’s Defense-Industrial Efforts – War on the Rocks). Diese Strategie setzt ambitionierte Vorgaben für gemeinsame europäische Rüstungsprojekte und Beschaffungen, um Abhängigkeiten von ausländischer Technik zu reduzieren und die Effizienz zu steigern. Projekte wie das deutsch-französische Kampfflugzeug (FCAS) oder der europäische Kampfpanzer (MGCS) sind Ausdruck dieses Willens zur Kooperation. Trump könnte diese Bemühungen jedoch ironischerweise konterkarieren. Sein transaktionaler Ansatz – also Vorteile nur gegen Gefälligkeiten – erhöht für europäische Staaten den Anreiz, im Zweifel lieber bewährte US-Waffensysteme zu kaufen, um Washington zu besänftigen (The Implications of a Second Trump Presidency for Europe’s Defense-Industrial Efforts – War on the Rocks). Schon in Trumps erster Amtszeit entschieden sich mehrere europäische Länder unter politischem Druck für amerikanische Rüstungsgüter (z.B. F-35-Kampfjets oder Patriot-Raketen), selbst wenn europäische Alternativen vorhanden waren. Mit einem noch assertiveren Trump 2.0 dürfte dieser Trend zunehmen. Experten erwarten, dass Trumps Kurs den Reiz von „Buy American“ für europäische Regierungen sogar noch steigert, was es für die heimische Industrie schwieriger macht, Aufträge zu erhalten (The Implications of a Second Trump Presidency for Europe’s Defense-Industrial Efforts – War on the Rocks). Einige europäische Sicherheitsexperten plädieren bereits aus Realismus dafür, bestimmte US-Systeme bewusst zu kaufen, um so „Goodwill“ in Washington zu erzeugen und schlimmstenfalls ein völliges Abdriften der USA zu verhindern (The Implications of a Second Trump Presidency for Europe’s Defense-Industrial Efforts – War on the Rocks).

Die Konsequenz wäre doppeldeutig: Kurzfristig wüchse Europas Abhängigkeit von US-Rüstungstechnologie sogar, entgegen der Autonomie-Rhetorik (The Implications of a Second Trump Presidency for Europe’s Defense-Industrial Efforts – War on the Rocks). Trump, der enthusiastisch amerikanische Rüstungsexporte fördert, könnte europäischen Firmen Marktanteile abjagen und ihre Exportchancen schmälern (The Implications of a Second Trump Presidency for Europe’s Defense-Industrial Efforts – War on the Rocks). Der EU-Rüstungsmarkt ist ohnehin zersplittert und viele europäische Hersteller sind auf Auslandsexporte angewiesen (The Implications of a Second Trump Presidency for Europe’s Defense-Industrial Efforts – War on the Rocks). Wenn nun aber aus Furcht vor einem unsicheren Bündnispartner verstärkt amerikanische Produkte gekauft werden, haben europäische Anbieter das Nachsehen – sowohl im eigenen Markt als auch global. Die paradoxe Folge wäre laut Analyse: Trotz aller Warnrufe, Europa müsse wegen Trump stärker auf eigenen Beinen stehen, würde das alte Kontinent zunächst noch abhängiger von den USA für seine Ausrüstung (The Implications of a Second Trump Presidency for Europe’s Defense-Industrial Efforts – War on the Rocks).

Andererseits könnte ein fortgesetztes schwieriges transatlantisches Klima längerfristig den politischen Willen zur europäischen Rüstungskooperation stärken. Wenn Europäer erkennen, dass „freies Trittbrettfahren“ keine Option mehr ist, steigt vielleicht die Bereitschaft, gemeinsam in Schlüsseltechnologien zu investieren (z.B. Drohnentechnik, Kommunikationssatelliten, Cyberabwehr). Die EU hat bereits Töpfe wie den Europäischen Verteidigungsfonds aufgelegt, um grenzübergreifende Rüstungsprojekte finanziell anzuschieben. Sollte Trump etwa den Zugang amerikanischer Komponenten erschweren oder Exportauflagen verschärfen, müsste Europa eigene Lösungen entwickeln. So gesehen könnte Trumps Druck langfristig als „Weckruf“ dienen, der die europäische Rüstungsindustrie wettbewerbsfähiger und innovativer machen könnte – allerdings nur, wenn die Mitgliedstaaten eng zusammenarbeiten und Doppelstrukturen abbauen. Bis diese Effekte greifen, dürfte es jedoch Jahre dauern.

Über die Rüstungsindustrie hinaus sind auch breitere wirtschaftliche Verflechtungen betroffen. Ein Zerwürfnis mit Washington unter Trump hätte potenziell negative Folgen für Handel und Investitionen zwischen EU und USA. Bereits in Trumps erster Amtszeit erlebte Europa US-Strafzölle und Sanktionsdrohungen (z.B. gegen deutsche Firmen wegen Nord Stream 2). In einer zweiten Amtszeit könnte Trump die EU etwa mit Zöllen auf Autos oder andere Exporte belegen, was erhebliche wirtschaftliche Schäden anrichten würde. Das wiederum könnte Europas finanzielle Fähigkeit schmälern, in Verteidigung zu investieren – ein sicherheitspolitischer Nebeneffekt wirtschaftlicher Konflikte. Zudem würde ein belastetes transatlantisches Verhältnis die geplante engere Technologiekooperation (etwa im Rahmen des EU-US Trade and Technology Council) erschweren, was indirekt auch sicherheitsrelevante Bereiche wie Rüstungsforschung oder Standardisierung betrifft.

Strategische Unabhängigkeit der EU – ein Schlagwort der letzten Jahre – stünde auf dem Prüfstand. Bisher war es ein hehres Ziel, das in Bereichen wie Verteidigung, Energie oder Digitalisierung angestrebt wird. Trumps Unberechenbarkeit gab der Autonomie-Debatte Schub, jedoch sind die EU-Staaten intern gespalten: Länder Osteuropas trauen eher dem US-Rückhalt und wollten europäische Alleingänge vermeiden, während Frankreich oder auch die EU-Kommission stärker auf Eigenständigkeit drängen. Sollte Trump die NATO schwächen, könnten mehr Staaten bereit sein, zumindest in Verteidigungsfragen enger zusammenzurücken und eigene Fähigkeiten auszubauen. Das würde der strategischen Autonomie Substanz verleihen. Gelingt dies nicht, liefe Europa Gefahr, zwischen den Großmächten zerrieben zu werden – wirtschaftlich wie sicherheitspolitisch.

Diplomatische Herausforderungen für die EU: Balanceakte zwischen USA, Russland und China

Trumps Haltung zur NATO und Europa wirft auch erhebliche diplomatische Fragen auf. Die EU müsste im Falle eines transatlantischen Zerwürfnisses eine heikle Balance wahren: Einerseits möchte sie die USA als Partner nicht verlieren, andererseits darf sie nicht blindlings folgen, wenn Washingtons Kurs ihren Interessen zuwiderläuft. Bereits in Trumps erster Amtszeit zeigte sich Europa bemüht, Brücken zu bauen – etwa durch intensive Gespräche und Bemühungen, Trump entgegenzukommen (z.B. Macron lud Trump 2017 als Ehrengast zum französischen Nationalfeiertag ein, um ihn an die historische Allianz zu erinnern). In einer zweiten Amtszeit Trumps wäre es für europäische Politiker noch schwieriger, Einfluss in Washington zu gewinnen, da dieser sich weniger um traditionelle Diplomatie schert. Die EU stünde vor der Aufgabe, möglichst geschlossen aufzutreten und Trump klarzumachen, dass eine Schwächung der NATO allen schadet – auch den USA selbst. Gleichzeitig müssten die Europäer aber Notfallpläne bereithalten, falls diese Überzeugungsarbeit scheitert.

Besonders schwierig wäre der Umgang mit Russland und dem andauernden Krieg in der Ukraine. Bisher hat die EU – eng abgestimmt mit den USA – Sanktionen gegen Moskau verhängt und Kiew militärisch unterstützt. Sollte Trump diesen Kurs verlassen und auf einen Deal mit Putin drängen, entstünde in Europa diplomatischer Sprengstoff. Einige westeuropäische Staaten könnten versucht sein, Trumps Kurs zu unterstützen, falls er einen schnellen Frieden verspricht (etwa Italien oder Ungarn, wo es prorussische Tendenzen gibt). Osteuropäische Länder wie Polen oder die Baltiken hingegen würden wohl vehement dagegenhalten, da sie jede Nachgiebigkeit gegenüber Putin als gefährlichen Präzedenzfall sehen. Die Einheit der EU-Außenpolitik wäre in Gefahr, wenn ein Teil der Staaten dem amerikanisch-russischen Deal folgt und ein anderer Teil bei der Unterstützung der Ukraine bleiben will. Europa müsste dann versuchen, eigenständig mit einer Stimme zu sprechen – womöglich in Form eines europäischen Gipfels oder Sonderbeauftragten, der in Verhandlungen vermittelt. Präsident Macron und Kanzler Scholz haben bereits in der Vergangenheit Gespräche mit Putin gesucht; im Falle eines US-Alleingangs wären europäische Führungsakteure gefordert, die Interessen der Ukrainer und Europäer aktiv einzubringen, um ein schlechtes Abkommen abzuwenden.

Auch die transatlantische Abstimmung gegenüber China würde komplizierter. Trump sieht China primär als wirtschaftlichen und geopolitischen Hauptgegner und könnte von Europa verlangen, klar Position zu beziehen. Während die EU China zunehmend ebenfalls als „systemischen Rivalen“ betrachtet, verfolgt sie eine Strategie des „De-Risking“ statt vollständiger Konfrontation. Trumps aggressive Handelspolitik gegenüber China (Zölle, Technologiebeschränkungen) könnte Europa in einen unbequemen Spagat zwingen: Folgt man den harten US-Maßnahmen, schädigt das europäische Wirtschaftsinteressen; distanziert man sich davon, riskiert man den Zorn Washingtons. Schon in Trumps erster Amtszeit gab es Spannungen, als einige EU-Länder (allen voran Deutschland) am Huawei-5G-Ausbau festhielten, während die USA Druck zum Ausschluss chinesischer Anbieter machten. Mit einem erneut unilateralen Amerika müsste Europa diplomatisch geschickter agieren – möglicherweise eigene rote Linien gegenüber China definieren, aber ohne sich vor Trumps Karren spannen zu lassen. Ein denkbarer Ansatz wäre, dass die EU ihr Verhältnis zu China unabhängiger gestaltet und versucht, mit gleichgesinnten Partnern (Japan, Südkorea, Australien) Allianzen zu bilden, um nicht völlig vom US-Kurs abhängig zu sein. Doch solch eine eigenständige Asien-Strategie steht erst in Ansätzen bereit.

Intern würde ein Trump-Schock die Kohäsion der EU testen. Mitgliedstaaten, die traditionell stark pro-amerikanisch sind (wie Polen oder die baltischen Staaten), könnten in einen schwierigen Konflikt mit den ambitionierteren Vertretern europäischer Autonomie (Frankreich, ggf. Spanien oder Italien) geraten. Die EU wird diplomatisch moderieren müssen, um zu verhindern, dass einzelne Länder sich direkt bilateral an die USA anbiedern und damit die gemeinsame Linie unterlaufen. Gleichzeitig könnten diese Unterschiede in der Haltung zu den USA genutzt werden, um eine ausgewogenere Strategie zu entwickeln – eine, die sowohl die transatlantische Partnerschaft und die Eigeninteressen Europas berücksichtigt. Ein praktikables Konzept wäre etwa eine „europäische Säule“ innerhalb der NATO: Die Europäer organisieren sich stärker selbst, bleiben aber offen für die USA. Dieses Konzept wurde in der Vergangenheit öfter diskutiert und könnte neues Leben erhalten, falls Washington abweisend reagiert. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat zwar die Meinung vertreten, Europa könne sich nicht allein verteidigen und solle die USA nicht ersetzen (Nato chief rebukes Donald Trump and announces record defence …), doch wenn die USA sich teilweise abwenden, hätte Europa kaum eine andere Wahl, als es doch zu versuchen.

Schließlich müsste die EU im globalen Kontext ihre diplomatische Rolle neu definieren. Ein weniger berechenbarer oder gar abwesender USA in Europa könnte andere Akteure ermutigen, ihren Einfluss auszubauen. China sucht bereits verstärkt Zugang zu europäischen Märkten und Politikern, teils durch Investitionen, teils durch diplomatische Foren. Russland würde ein transatlantisches Zerwürfnis propagandistisch ausschlachten und versuchen, Länder in Osteuropa oder auf dem Balkan enger an sich zu binden. Auch regionale Mächte wie die Türkei – NATO-Mitglied, aber eigenwillig – könnten die Situation ausnutzen, um eigene Interessen (etwa in Syrien, Libyen oder im Kaukasus) auf Kosten der westlichen Geschlossenheit voranzutreiben. Die EU und ihre führenden Staaten müssten daher diplomatisch sehr aktiv werden, um ihre Interessen gegenüber diesen Akteuren zu verteidigen. Das könnte bedeuten, verstärkt in der Nachbarschaftspolitik zu investieren (z.B. Westbalkan, Osteuropa, Nordafrika), Allianzen mit gleichgesinnten Demokratien weltweit zu suchen und internationale Foren wie die UNO zu nutzen, um Multilateralismus gegen unilateralistische Tendenzen (sei es von den USA, Russland oder China) zu stärken. Mit einem Wort: Europas diplomatischer Spagat bestünde darin, den Westen zusammenzuhalten, wo es geht, aber zugleich unabhängiger von einem unzuverlässigen Washington zu agieren – eine heikle Gratwanderung.

Europäische Spitzenpolitiker und Denker sind sich der Aufgabe bewusst. Josep Borrell, der EU-Außenbeauftragte, beschwor Europa jüngst, aus dem „Traumland“ aufzuwachen: Die Welt werde zunehmend von Machtpolitik dominiert, und Europa müsse lernen, in dieser raueren Umgebung zu bestehen. Ähnlich äußerte sich der EU-Defence Commissioner Andrius Kubilius 2025: Europa habe seit 2022 enorme Fortschritte in der Verteidigungskollaboration gemacht, dürfe sich von Washingtons Vorwürfen nicht entmutigen lassen und müsse zeigen, dass es für seine Sicherheit selbst einstehen kann (‚Europe did more than the US‘ — EU defense commissioner pushes back against Trump accusations). Dennoch betonte auch er, dass es eine Herausforderung bleibe, mit Russlands militärischer Produktionskraft Schritt zu halten (‚Europe did more than the US‘ — EU defense commissioner pushes back against Trump accusations). Europas Diplomatie wird also beweisen müssen, dass sie geschlossen und vorausschauend handeln kann – intern wie extern.

Fazit

Die Beziehung zwischen Donald Trump und der NATO steht sinnbildlich für eine der größten Zerreißproben der westlichen Sicherheitsordnung in jüngerer Zeit. Aus historischer Perspektive hat Trumps erste Amtszeit die traditionellen Bündnisgrundlagen erschüttert, aber auch Europa wachgerüttelt. Viele der seit Jahrzehnten verdrängten Fragen – etwa wieviel Verantwortung Europa selbst schultern muss und wie abhängig man von den USA sein will – traten schlagartig zutage. In der aktuellen Entwicklung, mit der Aussicht auf eine mögliche zweite Amtszeit Trumps ab 2025, verschärfen sich diese Fragen noch einmal dramatisch.

Sicherheitspolitisch würde ein erneut Trump-geführtes Washington die Europäische Union zwingen, vom Verbraucher von Sicherheit zum Produzenten von Sicherheit zu werden. Die NATO bliebe zwar formal bestehen, doch ihre Wirkmächtigkeit hinge davon ab, ob die Europäer es schaffen, geschlossen aufzutreten und ihre Verteidigungsfähigkeiten zu stärken. Im schlimmsten Fall müsste Europa tatsächlich „auf eigenen Beinen“ stehen, was heute nur in Ansätzen möglich ist. Daraus ergibt sich ein klarer Handlungsauftrag: mehr Investitionen in Verteidigung, bessere Koordination unter EU-Staaten und die Bereitschaft, notfalls autonom zu handeln (The Trump card: What could US abandonment of Europe look like? | European Union Institute for Security Studies).

Wirtschaftlich und technologisch steht die EU vor der Herausforderung, ihre Verteidigungsindustrie zu konsolidieren und innovative Kraft zu entwickeln, während gleichzeitig der wichtigste Verbündete möglicherweise zum Konkurrenten oder gar Gegner in Rüstungsfragen wird. Ein Trump, der Europa mit Handelskrieg und Druck zu Waffenkäufen konfrontiert, könnte kurzfristig Abhängigkeiten verstärken (The Implications of a Second Trump Presidency for Europe’s Defense-Industrial Efforts – War on the Rocks) – umso wichtiger wäre eine langfristige Strategie, dies ins Gegenteil zu verkehren und echte strategische Autonomie zu erreichen.

Diplomatisch schließlich müsste Europa Geschlossenheit beweisen wie selten zuvor. Die transatlantische Allianz wäre nicht mehr selbstverständlich, sondern etwas, das es aktiv zu bewahren gilt – durch kluge Diplomatie, Dialog aber auch Durchsetzungsvermögen gegenüber einem schwierigen Partner in Washington. Gleichzeitig müsste man global Allianzen schmieden, um die eigene Position zu stärken, sei es gegenüber Russland, das von einer Schwächung der NATO profitieren will, oder gegenüber China, das Europa nicht in die Zange zwischen sich und die USA nehmen darf.

Insgesamt zeigen sowohl der Blick zurück auf Trumps erste Amtszeit als auch die Signale für die Zukunft, dass „Trump und die NATO“ mehr als nur ein transatlantisches Zerwürfnis bedeuten. Es ist ein Katalysator für eine mögliche Neugestaltung der europäischen Sicherheitsordnung. Für die Europäische Union stehen nicht weniger als ihre eigene Sicherheit, politische Handlungsfähigkeit und wirtschaftliche Souveränität auf dem Spiel. Europäische Führungspersönlichkeiten wie Merkel und Macron haben bereits vor Jahren mahnt, Europa müsse sein Schicksal verstärkt selbst in die Hand nehmen (Angela Merkel: Europe must take ‘our fate’ into own hands – POLITICO). Trumps Politik dient nun als ungewollter Weckruf, diese Mahnungen in die Tat umzusetzen. Ob es der EU gelingt, aus der Herausforderung gestärkt hervorzugehen – als enger, aber ebenbürtiger Partner der USA, der im Zweifel auch allein bestehen kann – wird eine der entscheidenden Fragen der kommenden Jahre sein. Wie ein europäischer Experte die Lage pointiert zusammenfasste: Ein amerikanischer Rückzug aus Europa, selbst wenn er nur als Drohmittel eingesetzt wird, ist eine vitale Herausforderung für die europäische Sicherheit (The Trump card: What could US abandonment of Europe look like? | European Union Institute for Security Studies). Die Antwort kann nur in einem geeinten, wehrhaften Europa liegen, das fähig ist, sowohl mit als auch notfalls ohne Amerika für seine Werte und seine Verteidigung einzustehen.

Quellen: Offizielle NATO- und EU-Dokumente, Expertenanalysen (u.a. EUISS, CSIS, Atlantic Council), Presseberichte (Politico, The Atlantic, Reuters) und Aussagen europäischer Politiker. Die zitierten Referenzen belegen die hier dargestellten Entwicklungen und Einschätzungen. (Trump Will Abandon NATO – The Atlantic) (The Trump card: What could US abandonment of Europe look like? | European Union Institute for Security Studies)